„Wenn die Verantwortlichen jetzt nicht schnell alles unternehmen, um die Anzahl der Hausärzte nachhaltig zu erhöhen, droht das System der Hausärzteversorgung in Niedersachsen und in Deutschland in den nächsten 5 bis 10 Jahren zu kollabieren.“, sorgt sich der Oberbürgermeister.
Dabei war diese Entwicklung lange vorhersehbar und hätte durch bedarfsgerechte Steigerung der Studienplätze verhindert werden können. Dies führt in Salzgitter und bei vielen anderen Städten und Gemeinden zu Verdruss.
„Ich ärgere mich maßlos, das Bund, Land, Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen seit über 20 Jahren zusehen, dass die Anzahl der Hausärzte kontinuierlich und in den letzten Jahren rasant zurückgeht, ohne dass die Regierungen und ärztlichen Interessenvertretungen gegensteuernde Maßnahmen ergriffen haben. Die demographische Entwicklung war absehbar und ist den Verantwortlichen seit Jahren bekannt.“, macht der Oberbürgermeister aus seinem Herzen keine Mördergrube.
„Es ist wie bei vielen anderen Themen auch! Erst wenn die Not so groß ist, dass sie öffentlich Wiederhall findet, wird sie in Hannover und Berlin aufgegriffen.“, setzt der Oberbürgermeister nach.
Als Vizepräsident des Nds. Städtetages und Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes wird er dieses Thema landes- und bundespolitisch aufgreifen.
Oberbürgermeister Klingebiel: „Ich fordere von der Bundes- und Landesregierung und den Interessenverbänden der Ärzte folgende Sofortmaßnahmen:
1) Die Anzahl der Studienplätze für Mediziner muss sofort drastisch erhöht werden. Dabei müssen Anreize gesetzt werden, damit die angehenden Medizinstudentinnen und Medizinstudenten die Fachrichtung der Allgemeinmedizin ergreifen. Die sog. Landarztquote von Frau Sozialministerin Dr. Carola Reimann geht dort in die richtige Richtung, reicht aber bei weitem noch nicht aus.
2) Die Zulassungsbeschränkungen, die aus einer Zeit stammen, als wir von Ärzteschwämme sprachen, müssen unverzüglich gelockert werden. Der sehr hohe Numerus Clausus ist nicht mehr zeitgemäß. Das Standesdenken der Ärztekammer in der heutigen Notsituation völlig abwegig.
Wenn diese Maßnahmen ergriffen werden, dauert es dennoch mindestens 12 Jahre bis wir zusätzliche Fachärzte für Allgemeinmedizin am Markt verfügbar haben. Deshalb ist es darüber hinaus unumgänglich.
3) den sogenannten Praktischen Arzt wieder zuzulassen. Warum soll ein studierter Mediziner noch eine langjährige Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner draufsattelt müssen, um eine Hausarztpraxis führen zu dürfen? Viele Studienabgänger scheuen diesen Weg, da er mit hohem Aufwand verbunden ist, aber wenig finanzielle Früchte trägt. Jedenfalls verdienen andere Fachärzte erheblich mehr als die Hausärzte.
4) die Möglichkeit des Quereinstieges für bestimmte Berufsgruppen wie z.B. Arzthelferinnen und Arzthelfern, Krankenschwestern und Pflegekräfte zu ermöglichen.
5) praktizierenden Fachärzten für Allgemeinmedizin Weiterbildungsermächtigungen schneller und einfacher zu erteilen.
6) praktizierende Fachärzte für Allgemeinmedizin finanziell nicht zu bestrafen, wenn sie Patientinnen und Patienten anderer Hausarztpraxen aufnehmen, die wegen Alters schließen. Wenn der Hausarzt einen bestimmten Patientenstamm pro Monat überschreitet, erhält er keinen Zuschlag auf seine Vergütung, sondern einen Abschlag. Das ist doch demotivierend und einfach irre.
7) Arzthelferinnen und Arzthelfer weiterzubilden und ihnen danach einfache ärztliche Tätigkeiten erlauben. So hat z.B. Nordrhein-Westfalen bereits das Fortbildungsprogramm EVA (Entlastende Versorgungsassistentin) gestartet.
Abschließend stellt Klingebiel mit seiner Initiative unmissverständlich klar: „Wir haben keine Zeit mehr, am Symptom herumzudoktern, sondern müssen das Übel an der Wurzel nachhaltig anpacken“.
Informationen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen:
Für akut betroffene Patientinnen und Patienten hat die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, Bezirksstelle Braunschweig, folgende Auskunft erteilt:
Bei der Suche nach einem Hausarzt ist zunächst die Eigeninitiative der Patienten erforderlich. Hierzu empfehlen wir, die Arztauskunft Niedersachsen ( www.arztauskunft-niedersachsen.de (Öffnet in einem neuen Tab)) zu nutzen, über die man sich die Hausarztpraxen in der Umgebung anzeigen lassen kann.
Diesen Weg möchte die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen betroffenen Patientinnen und Patienten ans Herz legen, da sie hier den Arzt frei wählen können.
Darüber hinaus vermittelt die Terminservicestelle (TSS) der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen unter der kostenfreien Rufnummer 116117 auch Termine bei Hausärzten. Eine Überweisung ist nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass Praxen freie Kapazitäten gemeldet haben. Eine Vermittlung erfolgt nicht bei dem Wunscharzt, zur Wunschzeit oder am Wunschort, sondern es wird der nächste freie Termin zugewiesen.