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Salzgitter

Mahnwache am 28.02.2022 in Salzgitter-Bad

„Solidarisch aus der Corona-Krise“ und „Stoppt den Krieg in der Ukraine“.

Oberbürgermeister Frank Klingebiel bei seiner Rede anlässlich der Mahnwache

Text der Rede von Oberbürgermeister Frank Klingebiel bei der Mahnwache am 28.02.2022 in Salzgitter-Bad (es gilt das gesprochene Wort):

„Ich danke Ihnen und Euch allen von Herzen, dass Sie und Ihr dem Aufruf unseres Bündnisses „Salzgitter passt auf!“ so zahlreich gefolgt seid. Wir setzen hier und heute in Salzgitter - wie seit vergangenen Donnerstag in vielen anderen Städten in Deutschland und der Welt - ein eindrucksvolles Zeichen für Frieden, Freiheit und Demokratie sowie für Solidarität, Respekt und Toleranz. 

Ursprünglich war unsere Intension, den 132 Menschen und ihren Familien zu gedenken, die in Salzgitter seit Ausbruch der Pandemie vor knapp 2 Jahren an einer Corona-Infektion verstorben sind, und den vielen, vielen Menschen zu danken, die in einer der schwersten Krisen das öffentliche Leben unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens am Laufen gehalten und die Pandemie aktiv bekämpft haben.

Aber der vergangene Donnerstag, der 24.02.2022, als russische Truppen auf Befehl des russischen Präsidenten Putin die freie und selbstbestimmte Republik Ukraine mit ihren rd. 44 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner überfallen haben, überschattet alles.

Ein rabenschwarzer Tag für die Weltfriedensgemeinschaft! Ein Angriffskrieg in Europa, entfesselt von einer Siegermacht des Zweiten Weltkrieges, den die Kremel-Propaganda im Auftrage des Präsidenten Putin als Befreiungsaktion der ukrainischen Bevölkerung von einem „Nazi-Regime“ welt- und innenpolitisch zu rechtfertigen sucht.

Ja, geht`s noch, Herr Präsident? Wie widerwärtig ist das denn!

Um es deutlich zu sagen: nichts, aber auch gar nichts, kann einen Angriffskrieg rechtfertigen. Und Lügen haben kurze Beine! Herr Präsident Putin: Die Wahrheit wird auch im russischen Volk ans Licht kommen!

Beenden Sie das Blutvergießen auf ukrainischem Boden und Ihren Eroberungs-Größenwahn, der Zerstörung, Tod, Flucht und Vertreibung über die ukrainische Bevölkerung bringt, aber auch jetzt schon russische Menschenleben fordert und der sich auf Europa und die Welt auszuweiten droht.

Wir sehen und hören Bomben- und Granateinschläge, zerstörte Militärfahrzeuge, abgeschossene Flugzeuge, tote Soldaten, tote Freiheitskämpfer und tote Zivilisten, Häuser, die in Trümmern liegen, Menschen, die keine Bleibe mehr haben, Menschen, die Nachts gekauert in Kellern und Luftschutzbunkern ausharren und Menschen, die ihre Heimat - um ihr Leben fürchtend - verlassen und in angrenzende, sichere Staaten flüchten. Wir sehen Männer, die ihre Frauen und Kinder über die Grenze in Sicherheit bringen und sich dann auf den Rückweg zu ihrer Heimatstadt machen, um ihre Heimat zu verteidigen………. um für Frieden, Freiheit und Demokratie zu kämpfen.

Überall Tränen und Leid! Herr Präsident Putin, das können auch Sie nicht wollen.

Wir fordern Sie auf, die Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen und mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Verhandlungen über eine friedliche Lösung des langjährigen Konfliktes einzutreten. Krieg und Gewalt sind nie eine Lösung, sondern bringen Tod, Zerstörung und unendliches Leid auch in die russische Bevölkerung.

Sie tragen hohe Verantwortung für Ihr Land, Ihr Volk und den Weltfrieden!

Gefährden Sie nicht, was wir alle gemeinsam nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb der letzten 77 Jahre gerade in Europa, einem Kontinent, der in der Vergangenheit von Kriegen gezeichnet war, aber auch in der Welt aufgebaut haben.

Denken Sie zurück an den Zweiten Weltkrieg, Europas Armageddon, das mindestens 70 Mio. Menschen das Leben gekostet haben, und den Tag der Befreiung Europas und der Welt von Hitlers Nazi-Diktatur am 08./09. Mai 1945.

Gerade das russische Volk hat einen hohen Preis für den Sieg über Hitlers Nationalsozialisten und den Weltfrieden zahlen müssen: 9,75 Mio. russische Soldaten und 14,25 Mio. russische Zivilisten fielen Hitlers Machtgier und Größenwahn zum Opfer.

Dieser Wahnsinn darf nie wieder passieren. Das sehen nicht nur wir so, sondern auch das russische Volk.

Ich habe in unserer russischen Partnerstadt Staryj Oskol erlebt, wie sehr sich die russische Bevölkerung nach dauerhaften Frieden sehnt. Am Jahrestag der Befreiung von Hitlers Nazi-Herrschaft gehen immer noch zehntausende Menschen in Staryj Oskol und Millionen Menschen in ganz Russland auf die Straße, jeder und jede von Ihnen trägt ein Plakat mit dem Foto eines Familienmitgliedes, das im Zweiten Weltkrieg getötet wurde. Der Krieg, die schrecklichen Gräueltaten und das unendliche Leid sitzen tief im kollektiven Gedächtnis aller Russinnen und Russen. Und das zeigt uns: Auch das russische Volk möchte keinen Krieg! Oder mit den Worten des britischen Musikers Sting in seinem Kritiksong zum Kalten Krieg und dem Gleichgewicht des Schreckens „Russians“ aus 1985 gesagt: „I know the Russians love their children too“!

Das sollten Sie gut bedenken, Herr Präsident Putin.

Hoffnung geben uns die friedlichen Demonstrationen in der Welt, aber auch die überaus mutigen Demonstrationen und Stimmen in Moskau und ganz Russland gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine und Ihre eklatante Völkerrechtsverletzung. Russische Wissenschaftler, Ärzte und dutzende russische Hilfsorganisationen haben sich in offenen Briefen an Präsident Putin von dem Angriffskrieg distanziert und fordern einen sofortigen Waffenstillstand und den Rückzug der russischen Soldaten. Sie schreiben: „Krieg ist eine humanitäre Katastrophe, die Schmerz und Leid vermehrt. Wir halten gewaltsame Methoden zur Lösung politischer Konflikte für unmenschlich und rufen Sie zur Beendigung des Feuers und zum Beginn der Verhandlungen auf.“

Zugegeben, der Widerstand im eigenen Volk ist noch klein, aber er lässt sich auf Dauer nicht unterdrücken.

Und noch eins sei Ihnen gesagt, Herr Präsident Putin: Ihre Einschätzung, dass Sie die Ukraine in einem „Blitzkrieg“ besiegen und unterwerfen, ist eine schreckliche Fehleinschätzung. Ihr brutales und unnachgiebiges Vorgehen lässt uns erschaudern und schrecklichste Erinnerungen an den Beginn des Zweiten Weltkrieg wieder aufkommen.

Am 1. September 1939 begann dieser mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen. Hitlers Propaganda gab diesen Angriff auf Polen als Verteidigungsaktion aus. Frankreich und Großbritannien forderten den Rückzug der deutschen Soldaten aus Polen innerhalb von zwei Tagen. Hitler lies das Ultimatum verstreichen. Der deutsche „Blitzkrieg“ unterwarf Polen innerhalb von vier Wochen, es war aber der Beginn eines barbarischen Weltkrieges, der unfassbares Leid über die Menschheit brachte. Ihr militärischer Überfall auf die Ukraine und Ihre Propaganda weisen doch sehr viele Parallelen zu dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen zu Beginn des Zweiten Weltkrieges auf. Das macht uns fassungslos und ist wahnsinnig. Herr Präsident Putin: nehmen Sie Vernunft an und beenden Ihre Invasion in der Ukraine!

Unabhängig von der Sorge eines Dritten Weltkrieges, die uns alle umtreibt, müssen Sie doch einsehen, dass Sie die Ukraine trotz militärischer Überlegenheit nie in einem „Blitzkrieg“ besiegen werden. Neben den gut 200.000 ukrainischen Soldaten und rd. 900.000 Reservisten hat Präsident Selenskyj bereits die allgemeine Mobilmachung angeordnet. Alle männlichen Staatsbürger zwischen 18 und 60 Jahren werden mit Waffen versorgt und sind aufgefordert, ihr Heimatland gegen die russische Invasion zu verteidigen. Und seien Sie versichert: sie werden kämpfen... aus tiefer Überzeugung und mit allen Mitteln ... weil sie für ihren Frieden, ihre Freiheit, ihre Heimat und ihre Familien kämpfen. Und nicht die Ukraine steht alleine, sondern Sie tun das! Es droht auch Russland ein langer, blutiger und grausamer Krieg. Und die Sanktionen, die zunehmend mehr Staaten gegen Russland verhängen, werden das russische Volk schwer treffen.

Präsident Putin, wir fordern Sie auf:

Beenden Sie diesen Wahnsinn ... schnell und auf dem Verhandlungswege!

Frieden und Unabhängigkeit für die Ukraine und ganz Europa!

Trotz dieser, alles überlagernden, schrecklichen Ereignisse und trotz der sich ab Mitte März 2022 abzeichnenden Lockerungen in der Corona-Pandemie möchte ich auch noch einige Worte zu den Geschehnissen der letzten 2 Pandemie-Jahre sagen.

Zum Jahreswechsel 2020/2021 war ich - wie viele von Ihnen - voller Zuversicht, dass die Pandemie zum Jahresende 2021/2022 überwunden und Corona kein Thema mehr sein würde. Schließlich stand vor 14 Monaten unser städtisches Impfzentrum schon in den Startlöchern und legte noch am 30. Dezember 2020 mit den ersten Impfungen in Alten- und Pflegeheimen los. Die Wirklichkeit holte uns alle jedoch schnell ein und machte deutlich, dass die Pandemiebekämpfung mit ihrer unglaublichen Komplexität und Emotionalität selbst unser hochentwickeltes Deutschland vor einer seiner größten Herausforderungen stellte und noch stellt.

Nach gut 2 Jahren ist die Pandemie und ihre Bekämpfung für uns alle schwer auszuhalten. Wir alle sehnen uns nach Normalität. Wir merken, dass die Akzeptanz für die Schutzmaßnahmen und die Impfkampagne inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft „leidet“. Das ist nach so langer Zeit menschlich und ganz normal. Normal und verfassungsrechtlich geschützt ist in einer Demokratie auch, dass man seine Meinung frei und öffentlich kundtun darf. Die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut und ein Eckpfeiler unserer Demokratie! Keine Frage, aber immer unter Beachtung und Einhaltung der Regeln und Auflagen für jede einzelne Demo-Veranstaltung, die in unserem demokratischen Deutschland ja auch juristisch überprüfbar sind.

Umso mehr bitte ich Sie alle:

Bei allem Unmut über manches Regelungswirrwarr in den letzten 24 Monaten und über seinerzeitige Wartezeiten bei Impfungen oder Testungen verlieren Sie nicht das Vertrauen in die staatlichen Organe und unsere Demokratie! Üben Sie weiterhin Geduld und Solidarität! Nur Gemeinsam werden wir das Corona-Virus besiegen und unsere Stadtgesellschaft eng zusammen halten können!

Bildlich gesprochen ist die Corona-Pandemie kein Berg, der erklommen werden muss, sondern eher eine ganze Gebirgskette, die bewältigt werden muss.

Was mich tröstet, mir Mut macht und mich stärkt, ist die Gewissheit, auf diesem „steinigen Weg“ nicht alleine unterwegs zu sein, sondern viele Weggefährten an meiner Seite zu haben.

Ganz wichtig ist mir daher, allen „Danke“ zu sagen, die unsere Stadt und unsere Gemeinschaft in diesen schwierigen Zeiten am Laufen gehalten haben und weiterhin halten:

Mein Dank gilt den Mitarbeitenden im Gesundheitsdienst, in den Feuerwehren, den Hilfsorganisationen, den Kliniken, Arztpraxen, Alten- und Pflegeheimen und Pflegediensten, dem Kommunaler Ordnungsdienst und der Polizei, die die zwei zurückliegende Pandemiejahre in vorderster Reihe sehr gefordert haben.

Herzlich danke ich allen, die beispielsweise in den Kitas, Schulen, Speditionen, Supermärkten, Einzelhandelsgeschäften, Friseursalons oder auch in den Bussen und Bahnen sowie unserer kritischen Infrastruktur tagtäglich ihr Bestes gegeben haben, damit all das weiter funktionieren konnte, was wir all die Jahre für selbstverständlich hielten.

Danken möchte ich ebenso allen, die sich trotz LockDown und Kontaktbeschränkungen in ihren Vereinen, Verbänden, Kirchengemeinden oder einfach in der Nachbarschaft weiter engagiert und dort dafür gesorgt haben, dass die Menschlichkeit und das „Wir-Gefühl“ gelebt und erlebt wurden und werden.

Wir alle sind stolz auf Sie! Nur so solidarisch werden wir dauerhaft aus der Corona-Krise und aus der dadurch verursachten gesellschaftlichen Krise herauskommen.

Ich möchte meine Rede schließen mit der bewegenden Hymne von einem der großartigsten Musiker aller Zeiten, John Lennon, für alle Menschen, die sich nach Harmonie und Frieden auf der Welt sehen:

„Imagine all the people

Livin`life in peace!“

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