Bei Youtube: Hannah Klümper „Catcalls, auch Worte sind Belästigung"
Pfeif- oder Kussgeräusche, anhupende Autos im Vorbeifahren, aufdringliche Blicke, anzügliche Sprüche auf offener Straße wie: „Ey, geile Ti**“ oder „Ey du Fo***“, „Sie sehen gut aus, darf ich sie anfassen?“. Dies sind Beispiele für Konfrontationen, die Frauen und Mädchen in Salzgitter im vergangenen Jahr aushalten mussten. Die älteste Mitte 50, die jüngste 10 Jahre.
„All dies wird unter der scheinbar recht niedliche Bezeichnung „Catcalling“ zusammengefasst. Sie beschreibt das als lästig empfundene Geschrei von Katern. Darunter werden alle verschiedenen Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt im öffentlichen Raum zusammengefasst, die überwiegend von Männer durchgeführt werden und sich überwiegend an (vor allem jüngere) Frauen richten.“ erläutert Lara Duwe, Vorsitzende des Jugendparlaments.
„Es sorgt dafür, dass Frauen und Mädchen beginnen Bereiche im öffentlichen Raum zu meiden und sich nicht mehr unbefangen in der Öffentlichkeit bewegen.“ so Duwe weiter. „Die Betroffenen in Salzgitter berichteten,“ ergänzt Simone Semmler, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Salzgitter und Initiatorin des nationalen Anti-Catcall Tages „#keinKompliment“, „dass sie nun Umwege laufen, mehr Tage im Homeoffice verbringen, weil die Belästigungen auf dem Weg von und zur Arbeit stattfinden, abends nicht mehr allein das Haus verlassen und schlicht Angst haben.“ Dass das nicht hinnehmbar ist, sind sich beide einig.
Diese aufgedrängte Form der Sexualität ist es derzeit zwar noch kein eigener Straftatbestand bzw. keine Ordnungswidrigkeit, aber es handelt sich zweifellos um ausgeübte Form von Gewalt und müsste nach Artikel 40 Istanbul-Konvention auch in Deutschland geahndet werden.
„Wir brauchen Gesetze, damit dieses Verhalten als unzumutbarer Übergriff gebrandmarkt wird und irgendwann auch geahndet werden kann.“ so Semmler. Um Sensibilität dafür zu schaffen, sollen die diversen Catcalling-Verhaltensweisen öffentlich gemacht werden, an den Orten, an denen Catcalling geschieht. Das haben sich verschiedene Akteurinnen, die Gleichstellungsbüros aus mehr als 50 Kommunen und Kreisen bundesweit, am 2. Aktionstag vorgenommen. Ein Jahr lang konnten Betroffene ihre Vorfälle melden, die an diesem Tag mit Kreide im öffentlichen Raum sichtbar gemacht werden. (Immer der 2. Freitag im Juni, bis wir Gesetze haben).
Hier in Salzgitter laden das Jugendparlament und die Gleichstellungsbeauftragte Salzgitters auf den Rathausvorplatz in Lebenstedt am Freitag, 9. Juni, ab 17.00 Uhr zu einer Kundgebung ein, die von Alina Ludwig musikalisch begleitet wird.
„Catcalling ist Sexuelle Belästigung und somit #keinKompliment“, denn es reduziert Betroffene auf ihre scheinbare sexuelle „Verfügbarkeit“. Dagegen Stellung zu beziehen und ein Zeichen zu setzen ist wichtig und notwendig. So soll nicht nur die Sensibilität für das Thema erhöht werden, sondern auch Betroffene und Zeuginnen und Zeugen sollen in ihrer Zivilcourage gestärkt werden.“ erläutert Semmler weiter.
Denn es tröstet es wenig, dass Betroffene damit nicht allein sind: 44 Prozent der Frauen, aber auch 32 Prozent der Männer erleben in Deutschland Situationen, in denen sexistische Zeichen und Übergriffe an sie adressiert sind. „Der gutmeinende Hinweis mancher Männer „Nimm’s doch als Kompliment.“, führt nicht weiter, denn sexuelle Belästigung ist nun einmal #keinKompliment.“, so Simone Semmler, „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Frauen und Mädchen in dieser Stadt und bundesweit sich wir Freiwild behandelt fühlen.“
Im Anschluss an die Kundgebung ist eine Autorinnenlesung in der Stadtbibliothek Lebenstedt geplant: