Das Thema der Zukunft in Salzgitter: Wasserstoff
Wasserstoff gilt als vielversprechendes Element einer klimaneutralen Zukunft. Deshalb wurde in Salzgitter im September 2020 eine Kooperationsvereinbarung für die Gestaltung des innovativen Vorzeigeprojektes „Wasserstoff-Campus Salzgitter“ unterzeichnet.
Vertragspartnerinnen und -partner sind die Stadt Salzgitter, das Land Niedersachsen vertreten durch das Amt für regionale Landesentwicklung Braunschweig, die Allianz für die Region GmbH , das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST als wissenschaftlicher Partner und Brücke in das Fraunhofer Netzwerk Wasserstoff sowie die in Salzgitter beheimateten Unternehmen Salzgitter AG, MAN Energy Solutions SE, Robert Bosch Elektronik GmbH, Alstom Transport Deutschland GmbH und WEVG Salzgitter GmbH & Co. KG.
Der Campus agiert darüber hinaus mit wissenschaftlichen Partnerinnen und Partnern der Region wie der TU Braunschweig und der Leibniz Universität Hannover und damit dem Energieforschungszentrum Niedersachsen (EFZN).
Sitz des Campus ist das Gelände der Bosch Elektronik GmbH in Salzgitter-Lebenstedt.
Das Ziel: Wasserstoff breit anzuwenden sowie eine Verzahnung von Wissenschaft, Produktion und Industrie auf dem Weg in ein klimaschonendes Zeitalter zu entwickeln. Es sollen Wasserstofftechnologien von der Erzeugung bis zur Nutzung unter Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Aspekte realisiert werden. Der Campus etabliert sich außerdem als Weiterbildungsplattform für Fach- und Führungskräfte der Region und darüber hinaus.
WEVG als grüne Energiedienstleisterin
Die WEVG Salzgitter GmbH & Co. KG ist Energie- und Wasserlieferantin für Salzgitter. Die beiden Gesellschafter der WEVG, die Avacon AG sowie die Stadt Salzgitter, vereinen das Know-how rund um die Energieversorgung mit der Regionalität vor Ort.
Die WEVG als Energiedienstleisterin hat im Rahmen des „Wasserstoff Campus“ die wesentliche Aufgabe, die Entwicklung der notwendigen Infrastruktur zu unterstützen. Der Strom soll zu den Elektrolyseanlagen und der daraus entstehende grüne Wasserstoff zu den möglichen Verbraucherinnen und Verbrauchern transportiert werden, damit die im Umwandlungsprozess entstehende Wärme sinnvoll genutzt werden kann.
Projekt des „Wasserstoff-Campus Salzgitter“ bei Bosch
Ein Beispiel für die Zusammenarbeit der Campus-Partnerinnen und -Partner ist das Projekt „Fabriktransformation“ des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST und der Robert Bosch Elektronik GmbH. Sie befassen sich damit, eine reale Wasserstoffinfrastruktur in Form einer Pilotfabrik entstehen zu lassen.
Das Bosch-Werk hat sich zum Ziel gesetzt, seinen CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu senken: Durch den Anschluss an das Fernwärmenetz und damit der Nutzung der entstehenden Abwärme bei der Stahlproduktion der Salzgitter AG; den Bau einer eigenen Photovoltaik-Anlage auf dem Werksgelände sowie die Nutzung stationärer Brennstoffzellen, die Strom erzeugen. Betrieben werden die Brennstoffzellen derzeit noch mit Erdgas und Wasserstoff.
Die Brennstoffzellen werden von Bosch selbst entwickelt und produziert. Sie sind ein Projekt des Wasserstoff-Campus. Die Serienfertigung ist für 2024 geplant. Dann sollen die Brennstoffzellen zum Beispiel in Einfamilienhäusern zum Einsatz kommen.
Studie von MAN Energy Solutions und Fraunhofer IST
Anfang Mai 2021 startete eine Studie am Wasserstoff-Campus Salzgitter unter Leitung von MAN Energy Solutions SE und dem Fraunhofer IST.
Lokale Erzeugung, Transport aus den Küstenregionen und der Import von Wasserstoff werden darin technisch und ökonomisch verglichen. Es wird außerdem ermittelt, wer eine Abnehmerin oder Abnehmer des Wasserstoffs sein könnte wie zum Beispiel Unternehmen im Bereich Schienenverkehr oder in der Stahlerzeugung.
Das Verbundprojekt soll zeigen, zu welchen wirtschaftlichen Bedingungen und in welchem Zeithorizont Wasserstoff in der Region verfügbar sein kann.
Dabei wird in mehreren Arbeitspaketen ermittelt, welche Randbedingungen erforderlich sind, um einen Markt für Wasserstoff und Folgeprodukte in Deutschland zu ermöglichen.
Aber auch die Herausforderungen einer Erzeugung in Deutschland sollen aufgezeigt, geeignete Randbedingungen dargestellt sowie Handlungsempfehlungen an die Politik herausgearbeitet werden.
Das Verbundprojekt soll die zentrale Datengrundlage für die weiteren Aktivitäten des Wasserstoff-Campus aufbauen. Dazu wird eine Übersicht über Technologien zur Erzeugung, Speicherung, Transport und Nutzung von Wasserstoff und Folgeprodukten erstellt.
Ein Stahlkonzern wird klimaneutral
Die wohl konsequenteste Entwicklung in Sachen Wasserstoff nimmt derzeit die Salzgitter AG. Sie wird in den kommenden Jahren im Rahmen ihres Programmes „SALCOS® – Salzgitter Low CO2 Steelmaking“ die Roheisen-Erzeugung mit Kokskohle schrittweise auf wasserstoffbasierte Verfahren umstellen. Bei der Roheisen-Produktion im Hochofen mittels Kokskohle entsteht prozessbedingt CO2, dessen Ausstoß im Rahmen dieses Produktionsverfahrens nicht weiter verringert werden kann. Ziel der Transformation hin zu SALCOS® ist eine nahezu CO2-freie Produktion und eine Verringerung der CO2-Emissionen bis 2033.
Ab Ende 2025 werden sukzessive Hochöfen und Konverter von Direktreduktionsanlagen und Elektrolichtbogenöfen ersetzt. Im Jahr 2026, so das Unternehmen, ist auf diese Weise die Produktion von mehr als einer Millionen Tonnen „grünem“ Stahl geplant. Bereits 2033 soll das Hüttenwerk vollständig auf eine nahezu klimaneutrale Produktion umgestellt sein und acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.
Bei den großen Kundinnen und Kunden des Unternehmens aus den Bereichen Automobil-, Energie-, Industrie- und Haushaltsanwendungen sowie dem Bausektor besteht schon jetzt eine steigende Nachfrage nach diesem „grünen“ Stahl. Eine Kundin ist die Volkswagen AG. Sie will ihr neues Elektromodell „Trinity“ mit dem klimaneutral hergestellten Stahl produzieren.
Als zentrales Element ihrer Konzernstrategie hat sich die Salzgitter AG das Ziel gesetzt, ein führendes Unternehmen in der „Circular Economy“, also in der Kreislaufwirtschaft, zu werden.
Das Ziel: Einmal der Natur entnommene Ressourcen sollen möglichst lange in der wirtschaftlichen Verwendung gehalten werden. Stahl, so das Unternehmen, sei wohl das beste Beispiel für eine Circular Economy, weil er nahezu unendlich recyclebar ist. Dabei setzt der Konzern auf branchenübergreifende Partnerschaften entlang der Wertschöpfungsketten. Ein Beispiel: Die Salzgitter AG liefert ihren Kundinnen und Kunden CO2-armen Stahl. Im Gegenzug erhält das Stahl-Unternehmen „Stahlschrott“ zur Wiederverwendung zurück.
*(SALCOS - Salzgitter Low CO2-Steelmaking)
Wasserstoff angetriebene Züge
Eine Vorreiterrolle in Sachen Wasserstoff als Antriebsenergie hat das Zugbau-Unternehmen Alstom.
2016 präsentierte Alstom mit dem „Coradia iLint“ erstmalig einen CO2-emissionsfreien Regionalzug, der eine klimafreundliche Alternative zum Dieselzug darstellt. Alstom war damit weltweit der erste Schienenfahrzeughersteller, der einen Personenzug auf Wasserstoffbasis entwickelt hatte. Seit 2018 zunächst im Probebetrieb mit Fahrgästen, ist er seit August 2022 im ersten weltweiten Regelbetrieb im Bereich Personenbeförderung zwischen Buxtehude und Bremerhaven unterwegs. Eine Flotte von 14 Fahrzeugen löst die hier zuvor betriebenen Dieselzüge ab.
Seit Dezember 2022 sind die ersten „Coradia iLint“-Züge auf der Strecke zwischen Frankfurt und Brandoberndorf im Taunus unterwegs. Auf vier nicht-elektrifizierten Nebenstrecken im Taunus entsteht dort das weltgrößte Netz mit 27 Wasserstoffzügen von Alstom.
Inzwischen besteht nicht nur in Deutschland eine große Nachfrage nach diesem Zug, sondern auch aus den europäischen Nachbarstaaten und weltweit.
Im Rahmen eines Verbundprojekts entwickelt Alstom an seinem Standort in Salzgitter außerdem eine Umrüstlösung für Bestandslokomotiven auf Wasserstoffantrieb. Das Projekt setzt das Unternehmen gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben Peine-Salzgitter (VPS), der WTZ Roßlau gGmbH, der TU Braunschweig und den assoziierten Partnern Fraunhofer IST und der Robert Bosch Elektronik GmbH um.
Unterstützt wird das Projekt durch die Stadt Salzgitter mit Fördermitteln in Höhe von insgesamt etwa 1,5 Mio. Euro der Strukturhilfe des Landes Niedersachsen an die verschiedenen Verbundpartner. Künftig soll so ein emissionsfreier Rangierbetrieb im Schienengüterverkehr möglich werden. Die Dekarbonisierung einer Bestandslokomotive soll erstmals an einem Fahrzeug der VPS umgesetzt und auf dem Werksgelände des Eisenbahnverkehrsunternehmens getestet werden.
Zunkunftsregion SüdOstNiedersachsen
Die Stadt Salzgitter wird den Weg in die klimaneutrale Zukunft nicht alleine gehen. Gemeinsam mit den Städten Braunschweig und Wolfsburg sowie mit den Landkreisen Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel hat sie eine Kooperationsvereinbarung zur Konzepterstellung für die „Zukunftsregion SüdOstNiedersachsen“ geschlossen.
Die Projektkommunen aus der Region haben sich auf zwei Handlungsfelder aus dem Förderprojektprogramm des niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung (MB) geeinigt: „Regionale Innovationsfähigkeit“ und „CO2-arme Gesellschaft und Kreislaufwirtschaft“. Sie bauen auf den Wasserstoff Campus in Salzgitter auf und ergänzen dort aktuell bearbeitete Themen wie CO2-Minimierung und Wasserstofftransformation.
Finanziell unterstützt werden die Partnerkommunen dabei vom niedersächsischen Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung (MB), das ein neues Förderprogramm aufgelegt hat. Mit ihm will es langfristig attraktive Lebensverhältnisse in allen Teilen Niedersachsens sicherstellen. Über die Förderung gemeinsamer Projekte und die Bildung einer Zukunftsregion soll die Zusammenarbeit benachbarter Landkreise und kreisfreier Städte zunächst für sechs Jahre unterstützt werden.